GROSSE FORTSCHRITTE IN DER KONSTRUKTION

Für die neue Hin­ter­achse, wie sie in der Hochschule auch lap­i­dar genan­nt wird, musste zwar nicht „das Rad neu erfun­den“ wer­den, aber zumin­d­est ist das naben­lose Antrieb­srad mit riesigem Rad­lager eine kon­struk­tive Neuheit. Bei  der die Antrieb­sachse außer­mit­tig ver­schoben und über ein Stirn­rad­getriebe mit ein­er Außen­felge ver­bun­den ist. 

Das Schöne zu Beginn ein­er voll­ständi­gen neuen Kon­struk­tion ist, dass einem alle gestal­ter­ischen Frei­heit­en zur Ver­fü­gung ste­hen. Allerd­ings ist es auch eine große Her­aus­forderung, denn es ist eben­so kom­pliziert wie auch aufwendig, alle Anforderun­gen und Eigen­schaften der zu kon­stru­ieren­den Trac­tion-X-Felge zu berück­sichti­gen. Schließlich sollte die Fer­ti­gung, die Mon­tage und die Hand­habung in Kun­den­hand genau­so von Beginn an mit berück­sichtigt wer­den, wie die tech­nis­chen Anforderun­gen der einzel­nen Bauteile, wie die max­i­malen Gleit­geschwindigkeit­en oder die ertrag­baren  Kräfte. Ganz zu schweigen von der Ver­füg­barkeit bezahlbar­er Bauteile, die diese Anforderun­gen erfüllen, ohne den Busi­ness Case unmöglich, d.h. das Pro­dukt unverkäu­flich teuer zu machen. Umso angenehmer ist es, bei allen kon­struk­tiv­en Frei­heit­en auf gute Vorar­beit­en des Demon­stra­tors und der Patentze­ich­nun­gen zurück greifen zu können. 

So ent­stand in Laufe der let­zten acht Monate und in der Kom­bi­na­tion aus zwei indi­vidu­ellen Pro­jek­tar­beit­en und ein­er Bach­e­lo­rar­beit ein voll­ständi­ges und funk­tions­fähiges CAD-Mod­ell der Patent­vari­ante 1 (Antrieb­ss­chwin­gen-Rad­lagerung), zu sehen auf Bild 1. Zudem wurde in mehreren Finite-Ele­mente-Analy­sen fest­gestellt, dass die Trac­tion-X-Felge den voraus­sichtlichen Belas­tun­gen mit großer Sicher­heit stand­hält. Zu Beginn war schnell klar, dass der Umfang und die Kom­plex­ität der Anforderun­gen bzw. Auf­gaben für nur eine Bach­e­lor- (mein­er) und eine indi­vidu­elle Pro­jek­tar­beit (Jonas Bur­winkel) zu viel waren. Deshalb gliederten wir die Bere­iche der Anforderungs­analyse und   Vorkon­struk­tion in eine zweite, von mir durchge­führte, indi­vidu­elle Pro­jek­tar­beit aus. Gle­ichzeit­ig kon­nte ich die Zeit nutzen um mich mit der Bedi­enung von Fusion360 ver­traut zu machen. Anschließend fol­gte in mein­er Bach­e­lo­rar­beit  die Detailkon­struk­tion der gesamten Felge mit Bauteilen die auch tat­säch­lich am Markt ver­füg­bar sind und die Ver­net­zung zum Finite-Ele­mente-Mod­ell, aus­ge­hend vom CAD-Mod­ell  mein­er Trac­tion-X-Kon­struk­tion. Um bei der fol­gen­den Berech­nung der sta­tis­chen Span­nun­gen auch real­ität­sna­he Ergeb­nisse zu erhal­ten, mussten die ver­wen­de­ten  Berech­nungspa­ra­me­ter best­möglich bes­timmt wer­den. Auf dem Bild 2 ist die Grafis­che Auswer­tung von einem der berech­neten Last­fälle zu sehen. Es ist zu erken­nen, dass die Span­nung in der aktuellen Kon­struk­tion ger­ing sind (große Sicher­heit) und somit Mate­r­i­al bzw. Gewicht der Felge reduziert wer­den kann. 

Par­al­lel  zu mein­er Arbeit küm­merte sich mein Kom­mili­tone der TH Köln, Jonas Bur­winkel, in sein­er Pro­jek­tar­beit um die Kon­struk­tion und Berech­nung der Getriebewelle. 

Zu Beginn des Pro­jek­tes galt es, die kom­plexe und nicht ganz triv­iale Sta­tik der Felge zu ver­ste­hen, um die Belas­tun­gen des Fahrbe­triebes auf die einzel­nen Bauteile berech­nen zu kön­nen. Da der Fahrbe­trieb eines Motor­rollers jedoch alles andere als sta­tisch ist, über­legten wir uns das fol­gende Ersatz­mod­ell: Für die höch­sten Anfahrlas­ten stell­ten wir uns einen bevorste­hen­den Ampel­start vor, einen „Kava­lier­start“ (ein etwas anges­taubter Aus­druck). Der Fahrer gibt also „Voll­gas“ bzw. kom­mandiert per Drehgriff rechts den Elek­tro­mo­tor auf volles Anfahrmo­ment, bleibt aber solange auf der Vorder­rad­bremse, bis die Ampel auf „grün“ springt. Gedanklich wur­den diesem Last­fall noch weit­ere dynamis­che Über­höhun­gen durch das Durch­fahren von Schlaglöch­ern super­poniert. Da unser Sys­tem sich sehr artig und lin­ear ver­hält, ist das statthaft. Mühe haben allerd­ings die Freikör­per­bilder des kom­plex­en Getriebes gemacht, die so oder ähn­lich in keinem Sta­tik-Lehrbuch der Welt auftreten.

Mit den Betrieb­slas­ten und den Anforderun­gen an die Lebens­dauer unseres Trac­tion-X-Antriebs kon­nten dann, in Absprache mit einem bekan­nten Lager­her­steller, passende Lager für das Getriebe aus­gewählt und die Verzah­nung sowie die Antrieb­swelle aus­gelegt wer­den. Das große Rad­lager stellte sich dabei als deut­lich kom­plex­er her­aus. In dem Wis­sen, dass in der zweit­en Patent­vari­ante  dieses durch einen Laufring auf drei Rollen erset­zt wird, fiel die vor­läu­fige Wahl auf ein soge­nan­ntes Dün­nringlager. Dieses erfüllt zwar die tech­nis­chen Anforderun­gen, wäre jedoch für den Ein­satz bei Traction‑X deut­lich zu teuer. Hier wird der Unter­schied deut­lich zwis­chen einem Massen­markt für erschwingliche Motor­roller und dem Markt für Bau­maschi­nen oder mil­itärische Fahrzeuge, wo solche Lager eben­falls zum Ein­satz kom­men, wo aber die Kosten eine geringe bzw. gar keine Rolle spie­len. Allerd­ings wurde dieses teure Lager bere­its in der aktuellen Kon­struk­tionsver­sion durch ein soge­nan­ntes Draht­lager erset­zt, das wesentlich preiswert­er ist. 

Damit auch große Leis­tun­gen über­tra­gen wer­den kön­nen, sollte die Felge mit ein­er Ölbad­schmierung verse­hen wer­den. Dafür sind sehr große Radi­al­wellen­dichtringe notwendig, die das umlaufende Fel­gen­bett gegen die ste­hen­den Innen­fel­gen abdicht­en.  Diese Dichtringe wer­den von außen zusät­zlich mit Kap­pen geschützt. Da wir natür­lich nicht die Rad­kappe für Zweiräder ein­führen wollen, haben wir uns auf die Beze­ich­nung „Radring“ geeinigt. Diese  klem­men in den Nuten, die auch zur Befes­ti­gung der gek­lebten Auswuchtk­le­begewichte dienen. Ins­ge­samt ist diese Idee auf ein sehr pos­i­tives Echo gestoßen, auch weil sich der gute Kon­struk­teur mit den Gewohn­heit­en sein­er Kun­den ver­traut machen sollte, die teil­weise ihr Fahrzeug aus Bequem­lichkeit mit dem Hochdruck­reiniger reini­gen, dabei aber nicht die Beschädi­gung ihres Hin­ter­radantriebs riskieren möchten. 

Um die Sauberkeit des Öles zu erhöhen, wird Met­al­labrieb durch einen Mag­neten an der Ein­füllschraube gesam­melt. Damit der Ölwech­sel beson­ders nutzer­fre­undlich durchge­führt wer­den kann, befind­et sich die Ölablasss­chraube gut zugänglich auf der Außen­seite des Fel­gen­bettes. Auch diese kon­struk­tiv­en Details wur­den mit Lob aufgenom­men, da sie die Wartung vere­in­fachen und die Lebens­dauer erhöhen. 

Motiviert durch die Lösung jed­er einzel­nen Her­aus­forderung und durch den Aus­tausch mit den Team­mit­glieder während der alle zwei Wochen stat­tfind­en Meet­ings, ist es eine Freude an Traction‑X zu arbeit­en. Dabei ist die gute Tea­mar­beit bemerkenswert, beson­ders da jegliche Kom­mu­nika­tion rein dig­i­tal stat­tfind­et. An dieser Stelle möchte ich mich auch nochmal bei allen an den Pro­jekt Traction‑x beteiligten Per­so­n­en bedanken. 

Ich freue mich die weit­ere Entwick­lung des Pro­jek­tes zu begleit­en  und die Ergeb­nisse der näch­sten Arbeit­en zu sehen. Der Pro­jek­tleit­er hat noch hinzuge­fügt, dass er eben­falls zu Dank verpflichtet ist und er sich über die Zeit nach Coro­na freut, weil er unbe­d­ingt die Möglichkeit nach­holen möchte, auf einige Schul­tern zu klopfen (mit Hand­schuhen) und Hände zu schütteln.

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